6. Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung von Schulleistungstests

6.1 Anwendung durch Lehrkräfte

Schulleistungstests können von Lehrkräften für verschiedene Zwecke verwendet werden. Es geht dabei meistens um eine Ergänzung oder Präzisierung der herkömmlichen Schul-leistungsbeurteilungen. Im Einzelnen:

  • Ausschaltung von Beurteilungsfehlern.
  • Grundsätzliche Absicherung der eigenen (konventionellen) Leistungsbeurteilung.

Dabei spezielle Fragestellungen:

  • Absicherung der eigenen Beurteilung bei besonders kritischen Fällen wie Jahrgangs-wiederholung.
  • Hilfe bei Zuweisung in einem schulischen Kurssystem.
  • Hilfe bei Zuweisung zu Förderkursen.
  • Bei Übernahme einer neuen Klasse: Prüfung des erreichten Lernstands der Klasse und der einzelnen Schüler, um für alle an der "richtigen" Stelle anzusetzen. Am Schuljahresanfang (in Bayern September) muss dann z.B. in einer 3. Klasse ein Schulleistungstest verwendet werden, der für die 2. Jahrgangsstufe (dort Schuljahresende) erstellt und normiert ist.
  • Kritische Prüfung (Vergleich mit Grundgesamtheit) einzelner Schülergruppen mit dem Ziel, gegebenenfalls interne Differenzierungen vorzunehmen (bes. bei Schülern aus sozial schwachen Schichten, bei Schülern mit Migrationshintergrund, bei Schülern mit Verhaltensauffälligkeiten oder ADHS, bei Schülern mit allgemeinen oder speziellen Lernausfällen).
  • Schulinterne Klassenvergleiche.
  • Schulinterne Methodenvergleiche (z.B. Wahl eines Lehrbuchs).
  • Systeminterne Evaluation.

In diesem Unterkapitel soll auch die Frage gestreift werden, welche Tests eigentlich von Lehrkräften durchgeführt werden dürfen. In seiner Zusammenstellung "Rechtsgrundlagen – Deutschland" sieht Heyse (2003) keine rechtlichen Probleme bei der Anwendung von Verfahren, die "zur Feststellung schulischer Leistungen (z.B. Mathematiktests) bzw. zur Eignungsfeststellung für bestimmte Schularten vorgesehen sind" (Heyse, 2003, S. 365; ähnlich schon Avenarius, 1990). Bei Fragen der Schullaufbahnberatung wird es dabei für zweckmäßig gehalten, die Zustimmung der Erziehungsberechtigten einzuholen. In der Literatur wird in aller Regel der Einsatz von Schulleistungstests durch Lehrkräfte bei angemessener Handhabung als problemlos eingeschätzt, auch auf dem Terrain der Fach-didaktik, so etwa bei Schöler (2006) oder bei Herné (2006). Nicht für die Hand der Lehrkräfte gedacht sind Persönlichkeitstests und auch Intelligenztests. Ausnahmen dabei bilden Beratungslehrkräfte und Sonderschullehrkräfte.

Grenzen der Anwendung von Schulleistungstests durch Lehrkräfte: Der normorientierte Schulleistungstest, der auf der Klassischen Testtheorie aufgebaut ist, eignet sich eher für die sogenannte Statusdiagnostik als für die Prozessdiagnostik (Unter-scheidung ursprünglich von Pawlik, 1976, zit. nach Jäger, 2003, S. 166). Die Statusdiagnostik trifft Aussagen über den Ist-Zustand, bei uns über den Ist-Zustand der erbrachten Schul-leistung. Zur Prozessdiagnostik nennt Jäger die Vorher-Nachher-Messung (Prä-Post-Design). Dazu eignet sich der normorientiere Schulleistungstest nur bei einem längeren Abstand beider Messungen, weil er i.d.R. nur einmal im Schuljahr eingesetzt werden kann und damit nur der Lernprozess eines Jahres erfasst werden kann (Man könnte entgegnen: aber immerhin). Durch die Wiedergabe der Ergebnisse in Standardwerten kann auch nur ein relativer Zuwachs ermittelt werden.