4. Lehrergesundheit

4.2.2 Zusammenhänge zwischen Burnout und Merkmalen der Person und des Arbeitsplatzes

Aufgrund der Bedeutung des Syndroms für das System Schule und das Gelingen pädagogischer Prozesse innerhalb dieses Systems, wurde berufliches Belastungserleben breit beforscht. Es galt, Ursachen von Burnout zu erkennen, um Maßnahmen zu entwickeln, mittels derer der Anteil an betroffenen Lehrkräften reduziert werden könnte. Diese Aufgabe ist heute noch so aktuell wie vor 30 Jahren, als die ersten Arbeiten zum Burnout veröffentlicht wurden (Freudenberger, 1974; Maslach, 1976). Damals wie heute wird dabei zum einen untersucht, welche Faktoren des Arbeitsplatzes relevant für die Entwicklung von Burnout sind und zum anderen, welche Personenmerkmale.

Der Arbeitsplatz einer Lehrkraft ist durch eine hohe Arbeitszeitbelastung und eine hohe Reglementierung der Gestaltungsmöglichkeiten der eigenen Arbeit gekennzeichnet (Schaarschmidt, 2008). Auch Arbeitsmenge und Rollenkonflikte während der Arbeit werden als Burnout fördernde Eigenschaften dieses Berufes aufgefasst (Byrne, 1999; Rudow, 1999).

Bei den Personenmerkmalen ist zu allererst die Persönlichkeit in den Blick zu nehmen. Untersuchungen zum Zusammenhang von Persönlichkeitseigenschaften und Burnout weisen immer wieder auf die Bedeutung von Neurotizismus oder auch emotionaler Instabilität hin. Lehrkräfte, die emotional eher instabil sind, weisen auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit berufliches Belastungserleben auf (Kokkinos, 2007; Tönjes, Dickhäuser & Kröner, 2008).

Exkurs 6:

Selektion von Interessenten für ein Lehramtsstudium auf der Basis von Personenmerkmalen.                                                  

In der Längsschnittstudie von Rauin (2007) über 12 Jahre vom Beginn des Lehramtsstudiums bis 4 Jahre nach Berufseinstieg zeigt sich folgendes Bild: Diejenigen Studienteilnehmer, die zu Beginn ihres Studiums über eine ungünstige Konstellation von Persönlichkeitsfaktoren verfügten, an sich wenige für den Lehrberuf relevante Fähigkeiten wahrnahmen und eher aus Alternativlosigkeit den Beruf des Lehrers gewählt hatten, waren nach vier Jahren Berufstätigkeit zu einem größeren Anteil von Burnout betroffen als Studienteilnehmer, die zu Beginn ihres Studiums über eine günstige Persönlichkeits-konstellation verfügt hatten, relevante Fähigkeiten an sich wahrnahmen und aus ideellen Gründen den Beruf gewählt hatten. Dieses Ergebnis vor dem Hintergrund, dass insbesondere hohe Neurotizismuswerte stark positiv mit emotionaler Erschöpfung korrelieren (s. Unterkap. 3.1), spricht dafür, dass Personen schon allein durch ihre Persönlichkeit ungünstigere Voraussetzungen haben können, die Anforderungen des Lehrerberufs erfolgreich, also burnoutfrei, zu bewältigen.

Auf der anderen Seite zeigt die gleiche Studie aber auch, dass das Wissen über ungünstige Personenmerkmale eines Studiumsinteressierten keine 100 %ige Vorhersage über Erfolg oder Misserfolg bei der Bewältigung der Anforderungen des Lehrberufs ermöglicht. Sowohl unter den Studienteilnehmern mit günstigen Voraussetzungen als auch unter denen mit ungünstigen Voraussetzungen fanden sich sowohl Lehrkräfte mit als auch ohne berufliches Belastungs-erleben. Günstige Personenmerkmale stellen also auch keine Garantie für ein erfolgreiches Bewältigen der Anforderungen des Lehrberufs dar.

Empfehlung daher: Ausgiebige Information der interessierten Abiturienten und gleichzeitig studiumsbegleitende Aufklärung über und Förderung von protektiven Faktoren.                      Als protektive Faktoren kommt z.B. die Pflege sozialer Netzwerke innerhalb von Lehrer-kollegien, aber auch im privaten Bereich, als Grundlage für soziale Unterstützung im beruflichen Alltag infrage.

                                                                                                                                                                                                                                                       

Auch die wahrgenommene soziale Unterstützung am Arbeitsplatz ist ein Faktor, dessen Zusammenhang mit Burnout bereits gut belegt werden konnte (van Dick, 1999; van Dick, Wagner & Petzel, 1999). Lehrkräfte, die sich gut unterstützt fühlen durch Kollegen, Schulleiter und Schüler, aber auch durch einen familiären Rückhalt, fühlen sich weniger beruflich belastet als Lehrkräfte, die keine Unterstützung wahrnehmen (s. dazu auch Unterkap. 4.3).

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die wahrgenommene Reziprozität. Soziale Berufe und insbesondere der Beruf des Lehrers sind gekennzeichnet durch einen Mangel an adäquaten Informationen über die Wirksamkeit der eigenen Arbeit. Die Leistungszuwächse der Schüler sind Ergebnis von sowohl Fähigkeit und Engagement der Lehrkraft als auch Fähigkeit und Engagement des Schülers und somit keine gute Grundlage für die Bewertung der eigenen Arbeit. Lehrkräfte bedürfen daher eines Feedbacks, um zu erfahren, dass ihre Arbeit wertvoll war. Daher steht auch das Ausmaß an Reziprozität in Zusammenhang mit Burnout. Lehrkräfte, die das Gefühl haben, ihre Schüler wissen ihr Engagement nicht zu schätzen, erleben eher Burnout, als Lehrkräfte, die ein ausgeglichenes Verhältnis hinsichtlich des Gebens und Nehmens zwischen sich und den Schülern wahrnehmen (Bakker et al., 2000).

Auch motivationale Faktoren wie berufliche Zielorientierungen (s. auch Unterkap. 3.2.4) stehen mit beruflichem Belastungserleben in Zusammenhang (Tönjes-von Platen, 2010). Unter anderem erleben Lehrkräfte, die vornehmlich motiviert sind, in ihrer Arbeit keine Schwäche zu zeigen, eher Burnout als Lehrkräfte, für die dieser Fokus nicht im Vordergrund steht.

Ein Patentrezept dafür, wie man sich vor der Entwicklung eines Burnout-Syndroms schützen kann, lässt sich aus diesem Forschungsstand nicht herauskristallisieren. Dennoch gibt es vielversprechende Präventionsansätze.