6. Kreativität im schulischen Kontext

6.2 Fördermöglichkeiten

Zur Förderung von Kreativität im Unterricht existiert eine Reihe von systematischen Programmen (Cropley & Reuter, 2010), z.B. Osborn-Parnes-Programm (Ideenfindung durch Brainstorming; Parnes, Noller & Biondi, 1976). Einige dieser Programme konnten positive Effekte erzielen; dennoch fehlt bei nahezu allen Verfahren der Transfer auf andere Situationen. Dies mindert den Wert entsprechender Trainingsprogramme für die Praxis natürlich deutlich. Der Hauptgrund für die fehlenden Erfolge könnte darin liegen, dass vor allem kognitive Aspekte der Kreativität gefördert werden und weitere wichtige Einflussfaktoren wie Motivation oder Selbstbild häufig keine Berücksichtigung finden. Weiterhin ist zu kritisieren, dass die Förderung von Kreativität in den meisten Fällen außerhalb des Klassenalltags durchgeführt wird, anstatt sie in den Tagesablauf zu integrieren.

Anstelle der Anwendung eines speziellen Programms hat sich die Berücksichtigung folgender Punkte im Lehr-Lern-Prozess als Erfolg versprechender herausgestellt (Cropley, 1996): Als erstes sollte eine solide Wissensbasis aufgebaut werden, d.h. ein reichhaltiges und gut strukturiertes Fachwissen stellt die Grundlage zur Entwicklung kreativer Ideen dar.

Weiterhin sollten Kinder lernen, konventionelle Denkgrenzen zu überwinden, d.h. sowohl konvergentes Denken als auch divergentes Denken sollten geübt werden. Konvergentes Denken kann z.B. durch Aufgaben gefördert werden, die das Erkennen von Ähnlichkeiten und Unterschieden sowie deren Vereinbarkeit auf einer höheren Ebene erfordern. Divergentes Denken kann durch die Aufforderung, Assoziationen zu bilden, das Erlauben neuer Blick-winkel und auch ungewöhnlicher, phantastischer Antworten ausgebaut werden.

Generell sollten Schüler zu kreativitätsförderlichen Motivationsprozessen wie z.B. Ausdauer oder Hingabe angehalten werden. Auch für Kreativitätsprozesse förderliche Persönlichkeits-züge wie Neugier, Flexibilität oder Selbstvertrauen sollten vom Lehrer unterstützt werden. Als günstig hat sich ebenfalls erwiesen, wenn das Klassen- und Schulklima von einer kreativitätsfreundlichen Atmosphäre geprägt ist. Das kann konkret bedeuten, dass auch abweichende Meinungen wertgeschätzt werden, Offenheit für Neues herrscht sowie Ideenproduktionen der Kinder gefördert werden.

Welche Möglichkeiten bestehen für den Lehrer, diese Prinzipien konkret umzusetzen? Grundsätzlich wirksam und sehr breit anwendbar sind allgemeine Prinzipien aus der Lernpsychologie. Hier kommt zum einen Verstärkung für alle kreativitätsfördernden Bedingungen und Eigenschaften, wie ungewöhnliche Ideen, Ausdauer etc. infrage. Darüber hinaus hat der Lehrer gegenüber den Schülern eine wichtige Modellfunktion, die er durch Vorleben erwünschter Merkmale nutzen sollte, z.B. Offenheit und Toleranz für verschiedene Ideen.

Aufgaben sollten so gestellt und bewertet werden, dass nicht nur eine richtige Lösung zum Erfolg führen kann. Stattdessen sollten auch Aufgaben eingesetzt werden, die Phantasie zur Lösung verlangen, und auch der Einsatz unkonventioneller Lösungswege sollte zu guten Noten führen können. Weiterhin sollten die Kinder das Gefühl haben, Fehler und abweichende Gedanken äußern zu dürfen, ohne dafür bestraft zu werden.

Der Unterricht sollte so gestaltet werden, dass Kinder durch die eingesetzten Lehr-Lern-Methoden lernen, mit komplexen und uneindeutigen Situationen umzugehen. Hier bietet sich konkret das entdeckende Lernen an. Generell sollten Lösungen nicht vollständig vorgegeben, sondern von den Schülern selbst erarbeitet werden. Dabei ist es auch wichtig, dass der Lehrende nicht nur in der Rolle des unfehlbaren Wissensvermittlers auftritt, sondern eher Anregungen gibt und Eigenverantwortlichkeit auf die Lernenden überträgt. Eine weitere wichtige Aufgabe des Lehrenden besteht darin, kreative Kinder bzw. Beiträge wertzuschätzen, und gegebenenfalls auch vor Klassenkameraden in Schutz zu nehmen anstatt sie als Störung abzutun.

Insgesamt sollte die Kreativitätsförderung nicht als separate Komponente betrachtet, sondern im Rahmen des regulären Unterrichts durchgeführt werden und alle Kinder miteinbeziehen.

Aus Platzgründen konnte hier nur auf generelle Förderprinzipien, jedoch nicht auf Besonderheiten einzelner Fächer oder Altersgruppen eingegangen werden. Abschließend kann mit Weininger (1977) festgehalten werden, dass verschiedene Möglichkeiten existieren, Kreativität zu fördern, sie jedoch nicht erzwungen werden kann: “Creativity cannot be forced, it can only be fostered.” (S. 118)