6. Kreativität im schulischen Kontext

6.1 Kreativitätshemmende und -fördernde Bedingungen

Als erster kreativitätshemmender Faktor kann bereits die Organisation des Schulablaufs in Deutschland verstanden werden. Eine starre Unterteilung des Unterrichts in vorgegebene 45-Minuten-Einheiten, klare Fächertrennung und ein straffer Lehrplan bieten häufig wenig Freiraum für die Entwicklung und Entfaltung eigener Ideen und Gedankenabläufe. Der einzelne Lehrer hat auf das Gesamtsystem Schule zwar nur begrenzten Einfluss, jedoch kann die Einrichtung von Projekttagen oder fächerübergreifendem Unterricht zumindest eine gewisse Abhilfe schaffen.

Weiterhin können auch die üblicherweise eingesetzten Arbeitsanweisungen, die konkret eine Lösung und ein bestimmtes Vorgehen erfordern („Suche die richtige Antwort", "arbeite Schritt für Schritt" etc.), den Kreativitätsprozess hemmen.

Als ein weiterer wichtiger kreativitätshemmender Faktor gilt Bewertungsdruck vonseiten Gleichrangiger oder einer Supervision sowie eine zu erwartende Evaluation der Kreativität (Amabile, 1983). Dies heißt übertragen auf den schulischen Kontext, dass eine kritische Bewertung aller Antworten und Beiträge durch andere Schüler, aber auch durch den Lehrer kreative Beiträge mindert. Weiterhin kann die Annahme von Schülern, dass eine Antwort umgehend benotet wird, Kreativität hemmen. Empirisch hat sich vor allem der letzte Punkt als bedeutsam herausgestellt (Amabile, Goldfarb & Brackfield, 1990), die bloße Anwesenheit vs. Abwesenheit einer anderen Person hatte dagegen keinen Einfluss.

Als weiterer hemmender Faktor gilt die Anregung extrinsischer Motivation durch Leistungsanreize von außen. Obwohl solches Vorgehen generell als kreativitätsmindernd gilt, muss unterschieden werden, ob eine solche Belohnung als reine Verstärkung genutzt wird oder Informationen über erwünschtes, d.h. hier kreatives Verhalten, liefert (Eisenberger & Armeli, 1997). Das bedeutet für den schulischen Kontext, dass Belohnungen unter Umständen nützlich zur Förderung von Kreativität sein können, jedoch mit Bedacht eingesetzt werden müssen. Nicht die reine Quantität an Vorschlägen sollte verstärkt werden, sondern wirklich ungewöhnliche kreative Leistungen und Ideen.

Entscheidend für die Kreativität, die Schüler zeigen, ist auch die Einstellung des Lehrers zu diesem Thema. So wurde in Lehrerbefragungen deutlich, dass viele nicht kreative Lehrer kreative Schüler eher ungern unterrichten, da ihre zahlreichen Fragen oder unkonventionellen Bemerkungen den Unterrichtsfluss stören können. Kreative Lehrer dagegen scheinen kreative Kinder zu schätzen und auch zu fördern.

Grundsätzlich konnte gezeigt werden, dass positive Stimmung kognitive Leistungsfähigkeit und kreative Prozesse fördern kann, da zum Beispiel kreativere Wortassoziationen, höhere Wortflüssigkeit und mehr kreative Einfälle resultieren (Rowe, Hirsh & Anderson, 2007). Dies bedeutet für die Schule, dass es wichtig ist, dass Schüler sich in der Schule, in ihrer Klasse und im Unterricht generell wohlfühlen. Das kann zum Beispiel durch Humor des Lehrers, Wertschätzung, interessanten Unterricht oder unerwartete kleine Belohnungen realisiert werden.

Ebenfalls förderlich für kreative Prozesse ist das Vorliegen intrinsischer Motivation. Die Schüler sollten also Freude am Lernen und Interesse am Lernstoff haben. Dies sollte der Lehrer durch interessante Unterrichtsgestaltung, Einsatz verschiedener Lehr-Lernformen oder praktischen Bezug zum Alltag der Kinder fördern.

Darüber hinaus finden sich noch weitere kreativitätsfördernde Bedingungen in der Literatur, die jedoch nicht alle für die Schule relevant sind. Von Bedeutung für den Unterricht sind    z.B. das Vorliegen von Entscheidungsfreiheit oder der Einsatz unerwarteter Bekräftigungen (Amabile, 1983).

Ergänzend zu den eben ausgeführten allgemeinen Bedingungen zur Förderung bzw. Hemmung von Kreativität sollen im Folgenden konkrete Beeinflussungsmöglichkeiten von Kreativität im schulischen Kontext näher betrachtet werden.