1. Einleitung

Die Frage, ob Intelligenzunterschiede genetischen Ursprungs sind oder ob sie auf spezifische Erfahrungen einer Person zurückgehen, hat die Psychologie seit jeher beschäftigt. Während wir bei körperlichen Merkmalen, beispielsweise Ähnlichkeiten im Aussehen, Körpergröße etc. oder auch bei besonderen Fähigkeiten wie beispielsweise einer hohen Musikalität leicht dazu neigen, genetische Einflüsse zu konstatieren, fällt es uns bei psychischen Merkmalen, die für unser Leben und die Anpassung in der Gesellschaft eine sehr entscheidende Rolle spielen, wie beispielsweise der Intelligenz, eher schwer.

In der Psychologie beschäftigt sich mit dieser Frage einerseits die Differentielle Psychologie, deren Hauptaufgabe ja die Beschreibung und Erklärung individueller Unterschiede ist, aber insbesondere auch die Entwicklungspsychologie, die beschreiben und erklären möchte, wie Intelligenzunterschiede im Verlauf der Entwicklung entstehen, und insbesondere jene Faktoren herausfinden möchte, die zur Entstehung solcher Unterschiede beitragen. Die Identifikation von Ursachen interindividueller Unterschiede in der Entwicklung ist eine genuine entwicklungspsychologische Forschungsthematik. Die Frage nach Anlage- und Umwelteinflüssen spielt aber natürlich insbesondere auch im pädagogischen Anwendungs-bereich eine wichtige Rolle, wenn es beispielsweise darum geht, pädagogische Interventions-maßnahmen zu konzipieren und zu planen, oder ganz einfach im Schulalltag, wenn es um die Einschätzung von Fördermöglichkeiten geht.

Vorstellungen darüber, ob individuelle Merkmale eher dispositioneller Natur sind oder Erfahrungsgrundlagen haben, sind gerade im pädagogischen Kontext sehr wesentlich, für die Lehrenden aufgrund der handlungsleitenden Funktion, für die Lernenden aufgrund der daraus resultierenden motivationalen Konsequenzen. Damit Lehrende nicht aufgrund impliziter naiver Anlage-Umwelt-Theorien handeln, benötigen sie theoretisch und empirisch fundiertes Wissen darüber.