Hochbegabung

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Kurs: vhb - Differentielle und Persönlichkeitspsychologie im Kontext der Schule - Demo
Buch: Hochbegabung
Gedruckt von: Gast
Datum: Samstag, 27. April 2024, 00:51

Nicole Berger, Würzburg - Hochbegabung

Ziele

Kriterien und Merkmale für Hochbegabung kennen und anwenden können, mit den entsprechenden Personengruppen angemessen umgehen können, Konzepte der schulischen Förderung und deren Anwendung kennen.

1. Einleitung

Die Umgangssprache ordnet das Attribut "hochbegabt" meist Personen zu, die herausragende Leistungen erbringen, wie es beispielsweise erfolgreiche Wissenschaftler, Sportler oder Künstler tun.

Die wissenschaftliche Psychologie nimmt dagegen überwiegend eine klare Trennung zwischen "Begabung" im Sinne eines (meist intellektuellen) Potenzials und der tatsächlich erbrachten Leistung vor. Nicht immer stimmt beides überein.

Neben dem Begriff "Hochbegabung" wird teilweise auch "Talent" oder "Genie" verwendet, wobei man unter "Talent" meist eine herausragende, nicht intellektuelle Begabung, zum Beispiel aus dem musischen oder sportlichen Bereich, versteht und unter "Genie" eine Person, die eine geistige Höchstleistung vollbringt.

Wie noch zu zeigen sein wird, konzentriert sich die Hochbegabungsforschung im deutschen Sprachraum fast ausschließlich auf das intellektuelle Potenzial und betrachtet daher keine "Talente", international findet sich allerdings eine große Vielfalt an Definitionen und Theorien besonderer Begabung.

Neben der Gleichsetzung von Begabung und Leistung bezieht sich ein weiteres häufiges Missverständnis auf die Annahme, dass "Hochbegabte" meist Problemkinder mit sozialen und emotionalen Schwierigkeiten seien.

In der vorliegenden Lehreinheit soll daher neben der Begriffsdefinition auch geklärt werden, inwieweit ein solches Klischee haltbar ist. Außerdem werden Fördermöglichkeiten für hochbegabte Schüler/-innen vorgestellt und bewertet.

2. Theorien und Modelle

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2.1 Hochbegabung vs. Hochleistung

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2.2 Das Drei-Ringe-Modell

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2.3 Das Münchner Hochbegabungsmodell

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2.4 Das eindimensionale Modell von Terman

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2.5 Underachievement

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2.6 Nicht intellektuelle Begabung

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2.7 Zusammenfassung

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3. Diagnostik von Hochbegabten

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3.1 Hochbegabtendiagnostik mittels standardisierter Testverfahren

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3.2 Hochbegabtendiagnostik mittels “Checklisten”

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3.3 Hochbegabungsdiagnostik mittels Nominierungsverfahren

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4. Hochbegabung und Persönlichkeit

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4.1 Belege für die Divergenzhypothese

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4.2 Belege für die Konvergenzhypothese

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4.3 Zusammenfassung

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5. Förderung hochbegabter Schüler/innen

Mit der Förderung bestimmter Schüler/-innen ist immer auch eine Werteentscheidung verbunden. Häufig wird argumentiert, dass bei knappen Ressourcen nur die weniger begabten oder leistungsschwachen Schüler/-innen gefördert werden sollten, um ihnen eine erfolgreiche Schulkarriere zu ermöglichen. Allerdings ist auch die gezielte Förderung hochbegabter Schüler/-innen wichtig, zum einen, um deren Potenziale auszuschöpfen und zum anderen, um problematische Verläufe zu vermeiden.

Bezüglich der Förderung hochbegabter Schüler/-innen bieten sich zwei Möglichkeiten an: Die Akzeleration, also Beschleunigung der Bildungslaufbahn, und das Enrichment, also das Anreichern des Schulstoffs mit weiterführenden Inhalten. Auch sind Mischformen aus beidem möglich, zum Beispiel wenn in einer speziellen Begabtenschule die Pflichtinhalte verkürzt und die frei werdenden zeitlichen Kapazitäten für die tiefergehende Behandlung einzelner Themen genutzt werden.

Die Persönlichkeit und der Förderbedarf eines Kindes sollten entscheiden, welche Maßnahmen geeignet sind.

5.1 Enrichment

Unter Enrichment werden Maßnahmen verstanden, die die Unterrichtsthemen ergänzen oder vertiefen. Dies geschieht im einfachsten Fall durch innere Differenzierung im Unterricht, indem die Lehrkraft besonders knifflige oder weiterführende Aufgaben anbietet oder besonders begabte Schüler beispielsweise zu einem bestimmten Thema recherchieren lässt, das diese dann in Form einer schriftlichen Ausarbeitung oder eines Vortrags vor der Klasse präsentieren.

Werden zusätzliche Inhalte behandelt, so bezeichnet man dies als horizontales Enrichment, werden reguläre Inhalte vertieft, so entspricht dies dem vertikalen Enrichment.

Teilweise können hochbegabte Schüler/-innen auch als Tutoren eingesetzt werden, die schwächeren Schülern den Unterrichtsstoff erklären und diesen helfen.

Im Rahmen des schulischen Angebots werden häufig Arbeitsgemeinschaften angeboten, in denen besonders begabte Schüler beispielsweise eine zusätzliche Sprache lernen können. An den meisten Schulen ist darüber hinaus die Teilnahme an Fachwettbewerben ("Mathematik-Olympiade", "Jugend forscht") möglich oder wird zumindest unterstützt. Auch ist es möglich, zusätzliche Leistungskurse oder "Plus-Kurse", z.B. bilingualen Unterricht zu besuchen. In einigen Schulen können einzelne Schüler stundenweise am Unterricht höherer Klassen teilnehmen.

Darüber hinaus existiert eine Reihe von außerschulischen Fördermaßnahmen, wie beispielsweise kindgerecht aufbereitete Vorlesungen an Universitäten ("Kinder-Uni"), Ferienlager und Schülerakademien und wöchentlich stattfindende Kurse zu bestimmten Themen.

Folgende Links führen zu weiteren Informationen über außerschulische Fördermaßnahmen (Universität Würzburg, 2011a; Deutsche Schülerakademie, 2011):

http://www.uni-wuerzburg.de/?id=32993

http://www.deutsche-schuelerakademie.de/

 

 

5.2 Akzeleration

Unter Akzeleration versteht man die Beschleunigung des herkömmlichen Bildungsweges. Dies geschieht beispielsweise, indem ein Kind auf Antrag vorzeitig eingeschult wird, oder durch die bereits an vielen Schulen etablierte flexible Eingangsstufe, in der die ersten ein bis drei Schuljahre in jahrgangsübergreifenden Klassen unterrichtet werden. Besonders begabte Schüler können dadurch die Grundschulzeit verkürzen, wenn sie am Unterricht der höheren Stufe teilnehmen.

Außerdem kann im Verlauf der Schulkarriere zu verschiedenen Zeitpunkten eine Klasse übersprungen werden, einzelne Schüler/-innen überspringen auch mehrere Klassen. Dies erfordert ein hohes Maß an Motivation und Eigeninitiative, da die Schüler/-innen sich den kompletten Stoff eines Schuljahres selbstständig aneignen müssen und ist daher nur angezeigt, wenn ein/e Schüler/-in eine breite Begabung für alle Schulfächer aufweist und zudem den Anforderungen des Überspringens emotional gewachsen ist.

Das Überspringen kann auch von einer Gruppe begabter Kinder gemeinsam praktiziert werden (sogenanntes Kohortenspringen).

5.3 Mischformen

Mittlerweile haben sich einige Spezialschulen bzw. -klassen für Hochbegabung etabliert, beispielsweise das St. Afra Gymnasium in Meißen oder die Modellklassen am Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg. Diese sogenannten "Pull-out"-Programme fördern eine Gruppe von hochbegabten Schüler/-innen, dabei kommen gleichzeitig Prinzipien der Akzeleration und des Enrichments zum Tragen. Häufig wird ein besonderer Wert auf die Entwicklung der Persönlichkeit oder der Lern- und Arbeitstechniken gelegt. Einige Angebote richten sich explizit an begabte Schüler/-innen, deren bisherige Schulkarriere nicht dem entspricht, was aufgrund ihres Potenzials zu erwarten wäre. Durch gezielte Förderung soll diesen ermöglicht werden, ihre Begabung in entsprechende Leistungen umzusetzen.

Folgende Links führen zu weiteren Informationen über Schulen mit spezieller Hochbegabtenförderung (CJD Braunschweig, 2011; Leonardo da Vinci Gymnasium, 2011; Sankt Afra Gymnasium, 2011; Deutschhaus Gymnasium, 2011):

http://www.cjd-braunschweig.de/braunschweig

http://www.ldvg.de/de/

http://www.sankt-afra.de/

http://www.deutschhaus.de/

Auch der Gasthörerstatus an Universitäten ("Frühstudium") ist als Mischform aus Akzeleration und Enrichment zu sehen: Einerseits wird die Bildungslaufbahn beschleunigt, da die erbrachten Leistungen an der Universität in einem späteren Studium anerkannt werden können, andererseits erhalten die Schüler/-innen weiterführende und tiefergehende Lernangebote.

Folgender Link führt zu einem Beispiel für das Frühstudium (Universität Würzburg, 2011b):

http://www.begabungsberatungsstelle.uni-wuerzburg.de/fruehstudium

Zuletzt seien an dieser Stelle noch Stipendien für besonders begabte bzw. hochleistende Schüler/-innen oder Studierende genannt, die jedoch meist erst mit abgeschlossener Schulausbildung vergeben werden. Sie können neben der finanziellen Unterstützung die Bildungslaufbahn ebenfalls beschleunigen, häufig werden im Rahmen von Stipendien allerdings auch Sommerakademien oder zusätzliche Kurse angeboten. Ein prominentes Beispiel im Bereich Stiftungen stellt die Studienstiftung des deutschen Volkes (2011) dar.

Folgender Link führt zu weiteren Informationen über diese:

http://www.studienstiftung.de/

 

5.4 Innere und äußere Differenzierung

Neben der Unterteilung in Akzeleration und Enrichment existiert auch die Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Differenzierungsmaßnahmen, die sich mit den Strategien der Akzeleration und des Enrichments kombinieren lassen.

Dabei versteht man unter innerer Differenzierung das Anbieten von Fördermaßnahmen im Rahmen des regulären Unterrichts. Die hochbegabten Schüler/-innen verbleiben also in ihrer Klasse, bearbeiten aber beispielsweise zusätzlichen Unterrichtsstoff, wenn sie mit den regulären Aufgaben früher fertig sind als ihre Mitschüler.

Als äußere Differenzierung bezeichnet man dagegen das Herausnehmen eines Kindes oder Jugendlichen aus der Klasse bzw. die Gruppierung mehrerer Hochbegabter in einer eigenen Klasse oder Schule. In der äußeren Differenzierung lassen sich Akzeleration und Enrichment gleichermaßen verwirklichen.

5.5 Evaluation von Fördermaßnahmen

Hany (1988) bezeichnet Evaluation als das "Stiefkind der Hochbegabtenförderung". Häufig werden Fördermaßnahmen zwar damit beworben, dass sie zu bedeutsamen Lernfortschritten führen sollten, eine empirische Überprüfung dieser Aussage nehmen die Anbieter jedoch meist nicht vor.

Bislang gibt es daher relativ wenige aussagekräftige Studien. Zusammengenommen sagen diese aus, dass Hochbegabte von Fähigkeitsgruppierungsmaßnahmen zu profitieren scheinen (Vock, Preckel & Holling, 2007) und sich dies in der Leistungsentwicklung (Goldring, 1990; Shields, 2002), aber auch in emotionalen und motivationalen Faktoren wie der Zufriedenheit und Lernfreude widerspiegelt (Stumpf & Schneider, 2009).

Allerdings sind auch negative Effekte auf die psychosoziale Entwicklung denkbar, da ein hochbegabtes Kind in einer regulären Klasse meist sehr positive Rückmeldungen bekommt und an der Leistungsspitze liegt, während es in einer fähigkeitsgruppierten Klasse die Erfahrung macht, vielleicht nur im Klassendurchschnitt zu liegen (sog. "Big-fish-little-pond-Effekt").

Das Überspringen einer Klasse stellt eine der kostengünstigen und unaufwendigsten Fördermaßnahmen dar. Häufig sind damit jedoch Befürchtungen von Eltern und Lehrern verbunden, das überspringende Kind könnte in der neuen Klasse möglicherweise keinen Anschluss finden oder wäre damit überfordert, den Stoff der nicht besuchten Klasse nachzuholen. Eine mögliche Überforderung, Demotivation und soziale Ausgrenzung werden als Argumente gegen das Überspringen ins Feld geführt.

Das Überspringen als Fördermaßnahme wurde zumindest im angloamerikanischen Sprachraum relativ gut untersucht. Die Ergebnisse entsprechender Studien zeigen, dass das Wiederholen einer Klasse nach dem vorherigen Überspringen ein äußerst seltenes Ereignis ist und überspringende Schüler nicht selten auch in ihrer neuen Klasse souverän an der Leistungsspitze liegen (Vock, Preckel & Holling, 2007). Dennoch will die Entscheidung für oder gegen das Überspringen gut überlegt sein. Unterstützend ist eine schulpsychologische Beratung sinnvoll.

5.6 Zusammenfassung

Fördermaßnahmen für hochbegabte Schüler/-innen lassen sich grob unter den Begriffen Akzeleration und Enrichment subsumieren. Mit Akzeleration ist dabei die Beschleunigung der Bildungslaufbahn gemeint, beispielsweise durch das Überspringen einer Schulklasse.

Unter Enrichment versteht man die Anreicherung des Lehrplans durch zusätzliche Inhalte, wodurch der Lernstoff entweder vertieft behandelt wird (vertikales Enrichment) oder in die Breite ausgeweitet wird (horizontales Enrichment). Diese Anreicherung kann im Rahmen des Regelunterrichts, beispielsweise durch Zusatzaufgaben, geschehen (innere Differenzierung) oder im Rahmen der äußeren Differenzierung bzw. Fähigkeitsgruppierung, wobei in diesem Fall in der Regel Maßnahmen des Enrichments mit denen der Akzeleration kombiniert werden.

Bezüglich der Evaluation lässt die derzeitige Forschungslage noch keine umfassende Beurteilung zu. Das Überspringen einer Klasse scheint üblicherweise positive oder – entgegen gängiger Vorurteile – zumindest keine negativen Effekte zu haben. Auch scheinen Hochbegabte von einer Fähigkeitsgruppierung zu profitieren.

Von welcher Fördermaßnahme ein/e bestimmte/r Schüler/in profitieren kann, ist jedoch immer eine individuelle Entscheidung, die gemeinsam mit dem Kind selbst, seinen Eltern und Lehrkräften bzw. der Schulleitung getroffen werden muss.

6. Fazit

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7. Literaturverzeichnis

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8. Übungsfragen

  1. Was ist mit den Begriffen "Talent", "Begabung" und "Hochbegabung" gemeint?
  2. Welches Modell von Hochbegabung ist Ihrer Ansicht nach zu bevorzugen und warum?
  3. Worin liegt Ihrer Ansicht nach die Ursache für das Phänomen "Underachievement"?
  4. Stellen Sie verschiedene Möglichkeiten zur Identifikation von Hochbegabten gegenüber.
  5. Nennen Sie drei Testverfahren, mit denen die intellektuelle Begabung erfasst werden kann.
  6. Was können Sie als Lehrer tun, wenn Sie vermuten, dass eine/r Ihrer Schüler/-innen hochbegabt sein könnte?
  7. Beschreiben Sie drei verschiedene Möglichkeiten zur Förderung hochbegabter Schüler/-innen außerhalb der Schule.